Perspektivenwechsel – ein Ereignis, viele Perspektiven

Gedankenimpulse von Corinna Fleckenstein

8. November 2020

Jeder kennt das Märchen „Hänsel und Gretel“ und weiß, dass die armen Kinder sich aus dem Haus der bösen Hexe befreien konnten. Doch wer hat sich die Geschichte schon aus der Sicht der Hexe angehört? Wer war wirklich böse? Nun…, beantworten kann die Hexe diese Frage nicht mehr, denn sie ist ja tot.

Dennoch gibt es jemanden, der die Hexe gerettet hat und ihre Sicht der Dinge niedergeschrieben hat.

Das glauben Sie nicht? Dann lesen Sie hier das Märchen „Hänsel und Gretel“ (aus Sicht der Hexe): https://www.kinderschutzbund-dresden.de/…/Die…

Wenn Sie diese Geschichte gelesen haben, werden Sie ungläubig schmunzeln. Das sind jedoch ganz normale Kommunikationsprobleme, mit denen wir es tagtäglich zu tun haben, schon alleine durch das Lesen verschiedener Nachrichten zu einem Thema im Internet – es gibt viele verschiedene Sichtweisen zu einem Ereignis.

Genauso verhält es sich in der Systemischen Therapie: Jede Person im System Familie oder Team hat eine andere Sichtweise und damit nimmt jeder eine andere Perspektive ein. Manche waren direkt bei einem Ereignis dabei, andere nicht und trotzdem behaupten sie etwas dazu zu wissen, weil Meinungen, Haltungen, Interpretationen dazu führen, Dinge so wahrzunehmen, wie sie günstig für uns sind.

Um aus solchen Kommunikationsfehlern und Missverständnissen, die dadurch entstehen, wieder eine klare Sicht zu bekommen, nutzt die Systemische Therapie die Methode des Perspektivenwechsels, in Form von Fragen, z.B. „Was würde deine Mutter jetzt dazu sagen, wenn sie dich weinen sieht“. Durch die Beantwortung der Frage wird nicht die „Wahrheit“, sondern die „Erwartung“ ausgesprochen, welche dann geprüft werden kann. Oft entstehen in dieser Arbeit Auflösungen von Konflikten, die sich sehr festgefahren haben und bereits über Jahre bestehen. Gelingt es, in einem System mit dem Perspektivenwechsel die Sicht, Wahrnehmung und Erwartung des anderen zu „sehen“, ist dies der beste Nährboden für zukünftig gelungene Kommunikation: Klar, deutlich, konkret in Ich-Botschaften und mit Nachfragen.

Wir tun uns oft schwer, die Sichtweise anderer anzunehmen, in erster Linie ist es aber erst einmal wichtig zu erkennen, dass es unterschiedliche Perspektiven gibt und das diese auch nebeneinanderstehen dürfen. Durch das Würdigen unterschiedlicher Sichtweisen kann es gelingen gemeinsam an Lösungen zu arbeiten, mit dem alle Beteiligten zufrieden sind.

Fragen zum „Perspektivenwechsel“ oder zur „Systemischen Therapie“ gerne an mich persönlich als Nachricht.
Eine schöne Woche mit dem ein oder anderen Perspektivenwechsel wünscht

Corinna Fleckenstein